Dienstag vor Pfingsten - Begegnung - Zufall - oder Pfingsten

13. Mai 2016 Sr. M. Euthymia

Für mich war das Pfingsten - eine von Gottes Geist geschenkte Begegnung mit Tiefenwirkung am Grab von Sr. M. Euthymia.


Mit einiger Überwindung habe ich mich am Dienstag vor Pfingsten gegen 19.30 Uhr noch einmal aufgerafft und mich aufs Fahrrad geschwungen, um in der Grabkapelle von Sr. M. Euthymia auf dem Zentralfriedhof in Münster die Spendenkassette zu leeren. Vor Ort angekommen, machte ich mich daran, leergebrannte Grablichter einzusammeln, als ein Ehepaar mit einem Mädchen im Rollstuhl auch dort ankommt. – „Sie räumen auf“, fragte die Frau. „Ja, wenn ich hier bin, tue ich das immer“, antwortete ich. „Ich komme, um die Spenden vor der Nacht abzuholen. Ich bin Clemensschwester und für alles, was Sr. Euthymia angeht, zuständig“, fuhr ich fort. „Und Sie besuchen Sr. Euthymia auch noch am Abend?“ „Ja, unsere Tochter ist in der Uniklinik in Behandlung. Sie hatte gestern und heute eine Chemotherapie und anschließend bekam sie eine Blut-Transfusion. Das dauerte länger. Wir gehen immer, wenn sie einen Chemoblock hatte, mit ihr hierhin“, erklärte das Paar. Die ersten Male seien sie immer in einen Park an der Wilhelmstraße gegangen, bis jemand sie auf diesen Ort und auf Sr. Euthymia aufmerksam gemacht habe.

„Jetzt gehen wir immer hierher“, sagte die Frau und sprach weiter: „Wir sind evangelisch und kannten sie nicht. Doch sie ist für uns ganz wichtig geworden.“ Sie zündeten eine Kerze an und ich wendete mich dem Mädchen zu. Es hat eine schöne Mütze auf, hält in der Hand eine „Spucktüte“ lächelt und sieht mich mit ihren schönen blauen Augen offen an. – Wie verletzlich sie ist, denke ich. „Magst Du mir Deinen Namen sagen“, frage ich. „Marlene“, antwortet sie. Sie ist 12 Jahre alt. „Ich bin Sr. Elisabethis und Clemensschwester, also eine Mitschwester von Sr. Euthymia“, stelle ich mich vor.

An diesem Abend auf dem Zentralfriedhof entwickelte sich in der langsam einsetzenden Dämmerung ein ergreifendes Gespräch. Der Vater und die Mutter erzählten mir über die ersten Monate der Erkrankung ihrer Tochter – vor einem Jahr. Sie fuhren von einem Arzt zum anderen – von einem Krankenhaus ins nächste – und dann schließlich in die Uniklinik in Münster. Die Familie kommt aus der Nähe von Osnabrück. Alle Informationen von den Ärzten werden mit ihnen und mit Marlene besprochen, berichteten die Eltern. „Und Ihr habt mir jetzt alles gesagt?“, hatte die 12-Jährige von den Eltern wissen wollen.

Es war (und ist), so berichtet die Familie, eine Zeit mit viel Tränen, Zweifeln und Fragen. „Doch nicht unsere Marlene“, denken die Eltern. Das kann doch alles nicht wahr sein! Das Mädchen und die Eltern – sie haben eine ganz große Entwicklung durchgemacht, sich immer wieder durchgerungen zum nächsten Schritt. Einer dieser Schritte war die Entscheidung für eine Therapie, die bewirkt, dass Marlene nicht mehr weiter wächst. „Das war eine sehr schwierige Entscheidung für uns, aber besonders für Marlene“, erzählen die Eltern.

„Marlene, Du bist hier am Grab von Schwester Euthymia. Sie war 1,52 Meter klein. Bei ihr wird sehr deutlich, dass es nicht auf die körperliche Größe ankommt. Und ich erlebe an Deinen Worten und Deinen Blicken, dass Du und Deine Eltern Entwicklungen durchmacht und eine Reife habt, die andere in ihrem Leben nie erreichen“, machte ich Marlene Mut. „Eure Art, miteinander zu sprechen berührt mich tief.“ Auch den Eltern von Marlene ging es so. Die Mutter hatte Tränen in den Augen und auch der Vater war sehr bewegt.

Marlene ist eingebettet in die Liebe und Offenheit der Eltern, das war für mich ganz deutlich spürbar an diesem Abend. Es war weit nach 20 Uhr als wir uns voneinander verabschiedeten. Vorher tauschten wir Adressen und Telefonnummern aus. Für mich war das Pfingsten – eine von Gottes Geist geschenkte Begegnung mit Tiefenwirkung.

Sr. Elisabethis


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