Erinnerung und Dank
20. Juli 2024 Impulse
Erinnerung und Dank
Bild: Schwester M. Laudeberta van Hal (1887-1971)
Am 20. Juli 2024 jährt sich zum achtzigsten Mal das Attentat auf Hitler. In jedem Jahr wird im Bundestag in einer Gedenkstunde an dieses Ereignis erinnert. Das Erinnern wird immer wichtiger, da seit Jahren in unserer Welt die national-sozialistischen Tendenzen neu aufleben. Der Antisemitismus, der Fremdenhass nehmen erschreckend zu.
Wir Clemensschwestern wurden im Zweiten Weltkrieg mit den Folgen des Nationalsozialismus stark konfrontiert. Sowohl in Münster als auch in vielen Niederlassungen fielen Bomben und töteten viele Schwestern. Das Mutterhaus und viele Krankenhäuser, in denen unsere Schwestern tätig waren, wurden zerstört. Schwester M. Laudeberta van Hal, geboren in Groenlo (Niederlande), ist eine Frau, deren Einsatz wir im Rahmen des Erinnerns und Dankens besonders bedenken wollen.
Schwester M. Laudeberta war als Stationsschwester in der „Provinz-Heilanstalt Marienthal“ – jetzt LWL-Klinik für Psychiatrie – tätig. Dort wurden und werden psychisch und geistig Erkrankte behandelt und gepflegt. Die Nationalsozialisten degradierten sie als „unwertes Leben“, das es zu beseitigen galt. Als Sparmaßnahmen wurden z. B. Medikamente und Mahlzeiten gekürzt und Personal abgebaut. Im Oktober 1939 erteilte Hitler die schriftliche Ermächtigung für die „Euthanasie“ kranker und behinderter Erwachsener: „Unheilbar Kranken soll der Gnadentod gewährt werden.“ Der vordergründig erscheinende „Akt der Erlösung von Leid und sinnlosem Leben“ war das Tor zu einem langgeplanten Massenmord.
Pflegekräfte, die der Partei dienten, wurden eingestellt und die Atmosphäre im Haus wandelte sich von Grund auf. Anstelle von Vertrauen und Offenheit herrschten nun Angst und Misstrauen. Ärzte mussten Meldelisten von Kranken anfertigen, die zum Abtransport vorgesehen waren. Diese Meldebögen wurden von getreuen Pflegekräften für Schwester M. Laudeberta heimlich abgeschrieben. Sie sprach daraufhin Angehörige an und legte ihnen nahe, ihre kranken Familienmitglieder mit nach Hause zu nehmen. Dort seien sie momentan besser aufgehoben.
Eines Nachts, im Schutz der Dunkelheit, machte sich Schwester M. Laudeberta heimlich von Marienthal aus auf, um Bischof Clemens August Graf von Galen über diese Vorgänge zu informieren. Er brachte am 03. August 1941 in der dritten seiner bekannten Predigten diese „Krankentransporte“ öffentlich in St. Lamberti in Münster zur Sprache: „Wie ich zuverlässig erfahren habe, werden jetzt auch in den Heil- und Pflegeanstalten der Provinz Westfalen Listen aufgestellt von solchen Pfleglingen, die als sogenannte unproduktive Volksgenossen abtransportiert und in kurzer Zeit ums Leben gebracht werden sollen.“
Hunderte von Menschen in St. Lamberti in Münster erfuhren so von der Ermordung der Kranken. Es gab von „Nazi-Treuen“ in der Kirche Pfui-Rufe in aufgeheizter Stimmung. Die Hinrichtung des Bischofs wurde gefordert. Hitler und Goebbels hielten es für geschickter, erst nach dem Krieg „auf Heller und Pfennig“ mit von Galen abzurechnen.
Im Blick auf die Erinnerungskultur veranlassten die Stadt, das Bistum Münster und der LWL, dass im Juli 2022 ein „Schwester-Laudeberta-Weg“ benannt wurde. Dieser führte damals zum Hintereingang des Bischofshauses. Eine Gedenktafel an diesem Weg erinnert ebenfalls an diese mutige Frau, die durch ihre Initiative viele Menschen vor dem Tod bewahrte.
(Foto: Sr. Elisabethis Lenfers)
Bei der Eröffnung des Schwester-Laudeberta-Weges trafen sich (v. li.): der niederländische Honorarkonsul Dr. Eduard Hüffer, Schwester Susanne Kamperdick als stellvertretende Generaloberin der Clemensschwestern, Bischof Dr. Felix Genn, der Direktor des LWL Dr. Georg Lunemann und Johannes Balthesen, der Neffe von Schwester Laudeberta, der die Enthüllung des Straßenschildes übernahm.
Für weitere Informationen:
Fotos: R. Halberstadt und Sr. Elisabethis
Text: Sr. Elisabethis
Konkrete Aussagen und Zusammenhänge sind dem Buch von Anna-Maria Balbach „Die Barm-herzigen Schwestern zu Münster zur Zeit des Nationalsozialismus“ aus dem Dialog-Verlag ent-nommen. (Hrsg. 2007 von Hubert Wolf und Thomas Flammer, S. 81 ff.)