Ein freies Leben mit Raum für Wachstum

1. Januar 2016 Portraits

„Ich hatte das Gefühl gesucht, dass ich wirklich lebe, und das konnte mir nur ein spirituelles Leben geben.“


Von ihren Landsleuten gibt es viele in Münster. Allerdings ist die gebürtige Niederländerin Angelique Keukens anders als die meisten nicht als Touristin oder zum Shoppen in die Stadt gekommen, sondern gehört dem Orden der Clemensschwestern an. Seit Ende Mai 2015 lebt sie als deren neugewählte Generalrätin im Mutterhaus in Münster.

Am Anfang stand die Neugier

Am Anfang ihrer Geschichte mit Gott stand die Neugier. „Ich wollte als Gast Klosteratmosphäre erleben, und da ich Deutsch studiert hatte, habe ich nach deutschen Klöstern geschaut“, schildert Schwester Angelique. Bei den Clemensschwestern sei sie „hängengeblieben“. Zuvor hatte die katholische erzogene Frau ein Germanistik- und Theologiestudium sowie eine Ausbildung als psychosoziale Therapeutin absolviert und in einem Kindergarten und einer Tanzschule gearbeitet. Die Neugier war dabei immer ihre Begleiterin. Sie hatte sie auch veranlasst, sich mit Esoterik zu beschäftigen – ohne bleibenden Eindruck.

Anders das Kloster. In der früheren Ordensniederlassung in Arnsberg baute sie „netten Kontakt“ zu drei Clemensschwestern auf. Mit ihnen besuchte sie eine Vesper im Mutterhaus. „Das war überwältigend“, erinnert sich Schwester Angelique, „bis dahin hatte ich höchstens zweimal Schwestern in Tracht gesehen.“ Die Vesper war aber nicht nur deshalb ein Aha-Effekt: „Wenn ich einen Berufungsmoment erlebt habe, dann diesen. Mir wurde zum ersten Mal bewusst, dass diese Lebensform auch heute eine echte Möglichkeit sein kann.“ Dieser bewusste Moment habe sie selbst überrascht, „weil ich das vorher nicht großartig durchdacht hatte. Ich hatte einfach nur das Gefühl gehabt, dass das Kloster atmosphärisch ein guter Ort ist.“

In den folgenden fünf Jahren führte sie viele Gespräche mit den Clemensschwestern. Außerdem habe sie „abgetastet, ob ich mir nicht nur dieses Leben vorstellen, sondern auch aufgeben konnte, was ich bis dahin hatte. Denn ich war mit Wohnung und Job eigentlich gut zufrieden.“ Und doch konnte sie sich genau das vorstellen, trat 2005 bei den Clemensschwestern ein. 2008 legte sie die erste, 2014 die ewige Profess ab. Parallel studierte sie Soziale Arbeit und arbeitete anschließend in einer Jugend-Wohngruppe der Caritas Rheine.

Werden wie Gott mich gewollt hat

Für die 43-Jährige war das der richtige Weg: „Ich hatte das Gefühl gesucht, dass ich wirklich lebe, und das konnte mir nur ein spirituelles Leben geben.“ Bei anderen stieß dieser Weg nicht nur auf Begeisterung. „Meine Eltern etwa mussten ja mit zwei Schritten fertig werden: dass ich Schwester werde und dass ich in ein anderes Land gehe“, erzählt die Niederländerin. Viele andere Bekannte hätten den Eintritt in den Orden für sie passend gefunden, aber nicht die Bindung an die Kirche: „Sie waren besorgt, das könnte gerade mich als Frau einschränken.“ Sie selbst teilte diese Befürchtungen nicht: „So werden, wie Gott mich gewollt hat, kann ich genau in dieser Kirche, in dieser überalterten Gemeinschaft, außerhalb der Heimat.“

Trotz dieser Sicherheit kennt Schwester Angelique Zweifel, „ob ich ein Leben lang ja sagen kann zum inneren, geistlichen Weg und zu dem Weg, den die Gemeinschaft geht, zum Zusammenleben.“. Es sei wie in einer Paarbeziehung gewesen: „Nicht alle Vorstellungen stimmten mit der Realität überein, und nach der Rosa-Wolken-Phase dauert es, bis man sich im Alltag einlebt. Aber aus dem Sich-Zurücknehmen entsteht auch Gutes für einen selbst.“

Geistliches Leben und wertschätzende Gemeinschaft

Dass das Durchschnittsalter im Orden steigt und sie eine der wenigen Jüngeren ist, treibt die 43-Jährige nicht um: „Das ändert nichts an der Lebendigkeit der Gemeinschaft.“ Der Bezug auf das Evangelium verbinde alle. „Ich möchte wertschätzend sehen, welche Traditionen den Älteren wichtig sind, was sie aufgebaut haben“, sagt Angelique. Eine Zeit lang sei es ihr schwergefallen zu erleben, wie viele Mitschwestern starben, „aber es überwiegt die Dankbarkeit für die Zeit, die wir hatten.“ So ist sie zuversichtlich: „Gott hat mich auf einem zunächst ungewissen Weg hierher geführt, das hat er bestimmt nicht getan, um es wieder aufzulösen.“

Ihr Leben: Das war bisher die Jugendwohngruppe in Greven. „Da hatte ich oft das Gefühl, in zwei Welten zu leben, weil es eine Herausforderung war, Raum für das geistliche Leben und das Gebet zu finden“, erzählt sie. Der Alltag in Münster wird anders werden, glaubt sie: „Hier ist das Gebetsleben strukturierter.“ So wird auch Zeit für Freizeitaktivitäten bleiben. Schwester Angelique mag das Kino, auch Bewegung ist ihr wichtig. „Allerdings habe ich gelernt, genau zu schauen, was im Moment wichtig ist“, verrät sie. Zum Wichtigen zählt der Kontakt zu Familie und Freunden. Dabei weiß sie aber: „Meine Lebensmitte ist in der Gemeinschaft.“

In der Freiheit wachsen

Ob das auch künftig noch für viele Menschen gelten wird, weiß sie nicht, ist aber sicher: „Viele leben ihre christliche Berufung, das muss nicht im Kloster sein.“ Spirituelles Leben sei heute vielseitig. Orden wiederum müssten Einblick ins Klosterleben gewähren. „Es gibt viele falsche Vorstellungen, die Menschen abhalten, das in Erwägung zu ziehen“, meint Angelique.

Für viele sei Ordensleben gleichbedeutend mit Fremdbestimmung. „Ich aber fühle mich genau hier frei und habe das Gefühl, in der Freiheit zu wachsen, weil ich an so vieles Weltliche nicht gebunden bin“, erklärt Angelique. Sie wünscht sich, dass alle Christen „immer wieder zu Jesus finden, weil daraus Lebensfreude entsteht, aus der man wirken kann.“ Für sie ist das „sinnerfülltes Leben. Es wird Gutes dabei herauskommen, weil Gott es so will.“

Sr. M. Angelique Keukens

Quelle: Pressedienst Bistum Münster


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